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Saturday, July 11, 2020

Muttersein ist nicht leicht - regensburg-digital.de

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Lesbische Paare mit Kinderwunsch müssen für eine gemeinsame Elternschaft den beschwerlichen Weg der Adoption gehen und werden dadurch gegenüber anderen Eltern nach wie vor systematisch benachteiligt. Die Beseitigung der Ungleichbehandlung lässt auf sich warten. Wir haben mit einem betroffenen Regensburger Paar gesprochen.

Vor allem bei einer gemeinsamen Elternschaft erfahren lesbische Paare systematische Benachteiligung. Foto: Archiv/Houmer Hdtz

Es klingt einfach: Ein Paar, seit über acht Jahren zusammen, entscheidet sich nach reiflicher Überlegung für ein Kind. Gespräche werden geführt, Vorbereitungen getroffen, das Nötige veranlasst. Alles läuft soweit gut, Geburtstermin ist im Oktober dieses Jahres. Wenn das Kind auf die Welt kommt, wird es rechtlich aber nur ein Elternteil, nur eine Mutter haben. Und das nicht etwa, weil kein zweites Elternteil vorhanden wäre, sondern weil es nicht geht. Rechtlich eben. Denn die werdenden Eltern sind beides Frauen und nur die leibliche Mutter wird hierzulande auch als Mutter anerkannt.

Und die andere Mutter? Auf die wartet erst einmal ein behördlicher Spießrutenlauf, weil für sie die rechtlich akzeptierte Mutterschaft nur über die Adoption funktioniert. Wäre sie ein Mann (wenn auch nicht einmal der leibliche Vater), dann wäre es egal. Es bräuchte keine Adoption für die Anerkennung der Elternschaft, sondern nur eine Unterschrift.

Was nach jahrzehntelangen gesellschaftlichen Debatten und sozialen Kämpfen um die Gleichstellung Homosexueller, einer zunehmenden Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare und Lebensentwürfe und fast drei Jahren „Ehe für Alle“ absurd klingt, ist nach wie vor Realität in Deutschland.

Elternschaft erfordert „Eignungsprüfung“

Zwei-Mütter-Familien sind beim Vorhaben einer gemeinsamen Elternschaft auf die (Stiefkind-)Adoption angewiesen und erfahren damit systematische Benachteiligung. Die nichtleibliche Mutter muss das Kind als „Stiefkind“ adoptieren, um als Elternteil anerkannt zu werden. Damit es soweit kommt, ist gegenüber dem Staat die Eignung als Mutter nachzuweisen.

Für den Lesben- und Schwulenverband Deutschlands (LSVD) ist „diese Überprüfung“, die Monate dauern könne, „entwürdigend, belastend und diskriminierend“. „Lesbische Mütter sind die einzigen Eltern, in deren Partnerschaften Kinder hineingeboren werden, die gegenüber dem Jugendamt und dem Familiengericht ihre Eignung als Eltern nachweisen müssen,“ so der LSVD.

Regensburger Paar steht „bürokratischer Irrsinn“ bevor

Marina und Elke (die anonym bleiben möchten; Namen der Redaktion bekannt) aus Regensburg machen genau dies mit. Sie sind seit über acht Jahren ein Paar und haben sich die Elternschaft gründlich überlegt, wahrscheinlich „erheblich besser“, als dies bei den meisten anderen der Fall sei, sagt Marina. Seit etwa vier Jahren reift der Kinderwunsch, mittlerweile ist Elke im sechsten Monat schwanger.

Die Partnerinnen sehen sich als gleichberechtigte Eltern an. Wenn das Kind auf die Welt kommt, wird es selbstverständlich in ihrer gemeinsamen Wohnung leben. Marina wird zunächst aber nur gefühlte Mutter bleiben müssen. Zumindest rechtlich. Denn für eine anerkannte Mutterschaft steht ihr noch einiges bevor.

Erst muss das Paar heiraten. Ohne Ehe keine Adoption. Dann stehen Beratungsgespräche und Behördengänge an. Erst zwei Monate nach der Geburt kann Marina einen notariell beglaubigten Antrag auf Adoption beim Familiengericht stellen. Einwilligungen der leiblichen Mutter und des Samenspenders sind dazu nötig.

Das Jugendamt wird dann besagte Eignungsprüfung vornehmen. Laut LSVD gebe es hierzu keine „feste[n] Vorgaben dafür […], was überprüft werden muss“. Die Anforderungen seien deshalb „oft uferlos“. Jugendamt und Familiengericht prüfen in der Regel „die Gesundheit der Frauen, ihre Vermögensverhältnisse, ihren polizeilichen Leumund und vieles andere mehr und bestehen mindestens zum Teil darauf, dass die Stiefkindadoption frühestens nach Ablauf eines Probejahres stattfinden darf“.

„Volle Schikane.“

Marina äußert die Vermutung, dass den bearbeitenden Beamten dieses aufwendige und diskriminierende Verfahren eigentlich selbst „peinlich“ sei. Sie gehe auch nicht davon aus, dass Anträge erfolglos sind und habe keine Angst, „dass es bei uns nicht läuft. Aber allein, dass ich mir darüber Gedanken machen muss, ist schon schlimm genug.“

Auf den ersten Blick nerve sie „der bürokratische Irrsinn“ am meisten, aber eigentlich sei „das Fiese und Nervige, dass es keine Gleichberechtigung gibt“. Die Ungleichbehandlung von Zwei-Mütter-Familien und das Misstrauen, mit dem man ihr (und anderen Müttern) grundsätzlich begegnet. Notar, Jugendamt, Familiengericht, Hausbesuche, Eignungsnachweis, polizeiliches Führungszeugnis, Atteste, Darlegung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse. „Das ist volle Schikane“. Als lesbisches Paar fühle man sich „voll ausgeliefert“ und werde nach dem Motto „vorverurteilt“: „Es könnte ja was schieflaufen bei denen.“

Bundesrat lehnt Adoptionshilfe-Gesetz ab

Wie der LSVD befürchtet, würde auch das am 28. Mai im Bundestag verabschiedete Adoptionshilfe-Gesetz in Bezug auf Zwei-Mütter-Familien keinerlei Verbesserung bringen. Im Gegenteil. Man kritisiere „aufs Schärfste die bewusste Ignoranz von SPD und Union gegenüber einem konkreten Formulierungsvorschlag, der diese Verschlechterung zumindest verhindert hätte“. Das Gesetz sieht unter anderem eine „Zwangsberatung“ vor. Der Vorschlag des LSVD auf die Beratung zu verzichten, wenn bei Geburt des Kindes das Eheverhältnis bereits bestehe, fand darin keinen Eingang.

Der Bundesrat versagte dem Adoptionshilfe-Gesetz letzte Woche allerdings die Zustimmung. Die befürchtete verpflichtende Beratung bei Stiefkindadoptionen kommt zunächst also nicht. Bundesregierung oder Bundestag können nun den Vermittlungsausschuss anrufen, um mit den Ländern einen Kompromiss auszuhandeln.

Seit 2015: 36 Stiefmutteradoptionen in Regensburg

Marina und Elke sind in Regensburg nicht das einzige Paar, das eine gemeinsame Elternschaft mühsam über die Stiefkindadoption organisieren muss. Wie die städtische Pressestelle auf Anfrage mitteilt, gab es seit 2015 36 Stiefmutteradoptionen in Lebenspartnerschaften bzw. Ehen. Acht weitere befinden sich derzeit im behördlichen Verfahren, drei davon liegen beim Familiengericht.

Das eigentliche Hauptproblem an der aktuellen diskriminierenden Rechtslage ist das sogenannte Abstammungsrecht. Für die Elternschaft ist in erster Linie immer noch die genetisch-biologische Zuordnung von herausragender Bedeutung. Eizelle und Spermium sind gesellschaftlich und politisch die herrschenden Prinzipien; Mutter, Vater und Kind das unumstößliche Leitbild von rechtlich einwandfreiem Zusammenleben.

Abstammungsrecht ist Haupthindernis

Beim Abstammungsrecht sieht der LSVD seit längerem akuten Nachbesserungsbedarf. „Statt der versprochenen Verbesserung der rechtlichen Absicherung von Regenbogenfamilien durch die Reform des Abstammungsrechts verschärft die Große Koalition die Bevormundung und Diskriminierung von Zwei-Mütter-Familien,“ so die Einschätzung des Verbands hinsichtlich des Adoptionshilfe-Gesetz.

Eine Petition zur Reformierung des Abstammungsrechts hat mittlerweile fast 67.000 Unterstützerinnen und Unterstützer. Im Juni wurde sie Bundesjustizministerin Christine Lambrecht übergeben. Die Bundesregierung könnte im Grunde schnell handeln. Einen entsprechenden Gesetzentwurf stellte Lambrechts Vorgängerin Katarina Barley bereits im März 2019 zur Diskussion. Die Reform sah unter anderem vor, dass insbesondere „eine Frau die mit der Mutter verheiratet ist, mit der Geburt des Kindes automatisch die Elternstellung erlangen“ soll. Passiert ist seitdem nichts.

Marina und Elke sind zunächst zum Abwarten verdonnert. Vielleicht kommt die Beratungspflicht, vielleicht nicht. Vielleicht wird das Abstammungsrecht reformiert, vielleicht nicht. Mütter werden sie ab Oktober beide sein. Wie viele rechtliche und bürokratische Hürden sie davor und danach noch zu bewältigen haben werden, hängt jedenfalls nicht von ihnen ab.

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July 11, 2020 at 09:52PM
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