In NRW sitzen Schüler, egal bei welcher Hitze, jetzt mit Maske im Klassenzimmer - bundesweit einzigartig. Für Kritiker befindet sich Ministerpräsident Laschet im „corona-politischen Blindflug".
- Nordrhein-Westfalen (NRW) startet am 12. August ins neue Schuljahr - im Vollbetrieb.
- Die in NRW geltende Maskenpflicht im Unterricht ist bundesweit einzigartig - und hat scharfe Kritiker.
- Es geht beim Corona-Krisenmanagement von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) auch um seine Eignung als möglicher Merkel-Nachfolger.
- Zum Schulstart gibt es jede Menge Regeln und viele Änderungen (siehe Update vom 12. August).
Update vom 12. August, 14:07 Uhr: Das große Experiment ist gestartet. Diesen Mittwoch haben die Schulen in Nordrhein-Westfalen wieder Betrieb aufgenommen. Allein in Köln hat sich für etwa 152.000 Schüler und Schülerinnen der Alltag aufgrund neuer Regeln und Maskenpflicht komplett verändert. Die Kölner Schulen haben sich auf die neue Situation eingestellt.
Einschulungsfeiern hätten zwar stattgefunden, allerdings nur unter strengen Auflagen, wie der Kölner Express berichtet. So entschieden sich manche Einrichtungen für eine zeitversetzte Begrüßung der neuen Schüler in kleinen Gruppen, andere verlegten die Veranstaltung unter freien Himmel. Auch für diejenigen, die schon länger an der jeweiligen Schule sind, gelten strenge Regeln. So sind Masken auch im Unterricht Pflicht - trotz brütender Hitze. Es gilt, möglichst schnell an den eigenen Sitzplatz zu gehen und dann dort zu bleiben. Die Türen vieler Klassenzimmer bleiben offen, damit die Klinke nicht unnötig oft berührt wird, so der Kölner Express. Dazu kommt gutes Durchlüften, regelmäßiges Händewaschen und so viel Abstand wie möglich. Bei den Schülern stoßen die Maßnahmen nicht unbedingt auf Gegenliebe. „Ich glaube, das wird ein bisschen blöd“, sagt eine 16-jährige Schülerin gegenüber dem Kölner Blatt.
Unverzichtbar oder unzumutbar: In NRW startet die Schule mit landesweiter Maskenpflicht
Erstmeldung vom 12. August: Düsseldorf - Es ist die Generalprobe: In Nordrhein-Westfalen startet an diesem Mittwoch (12. August) nach sechseinhalb Wochen Sommerferien der reguläre Schulbetrieb in der Corona-Pandemie* wieder. Ganz Deutschland schaut hin, ob und wie der Sonderweg des bevölkerungsreichsten Bundeslands funktioniert - denn landesweite Maskenpflicht im Unterricht gibt es bislang nur hier. Ausgenommen bleiben davon lediglich die Grund- und Förderschulen.
Unter scharfer Beobachtung stehen nicht nur die Bedingungen für Schüler und Lehrer vor Ort, sondern das gesamte, von Anfang an heftig umstrittene Corona-Krisenmanagement von Ministerpräsident Armin Laschet* (CDU). „Wir müssen gerade in diesen Tagen besonders vorsichtig sein“, rechtfertigt Laschet seinen Kurs. Daher sei die zunächst bis Ende August befristete NRW-weite Maskenpflicht richtig. In anderen Bundesländern gibt es diese Vorschrift nur an einzelnen Schulen.
Coronavirus in NRW: 2,5 Millionen Schüler kehren in Regelbetrieb zurück - Eltern- und Lehrerverbände in Sorge
Gegen die Rückkehr der rund 2,5 Millionen Schüler in den Regelbetrieb an landesweit 2500 Schulen hatten mehrere Lehrer- und Elternverbände Bedenken geäußert, weil aus ihrer Sicht nicht ausreichend für den Infektionsschutz* in großen Klassen Sorge getragen wird.
Unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vermisst - wie auch die Landtagsopposition - intelligente Konzepte für eine Entzerrung des Unterrichts, etwa durch „Schichtbetrieb“ und Angebote im Freien. Was, wenn sich nun massenhaft Schüler in NRW mit dem Sars-Cov-2-Virus* anstecken, Schulen geschlossen werden müssen und die ohnehin seit Wochen anziehenden Infektionszahlen wieder starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens erforderlich machen?
Maskenpflicht in der Schule: „Für Armin Laschet steht zur Zeit viel auf dem Spiel“
„Für Armin Laschet steht zur Zeit viel auf dem Spiel“, stellt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann fest. Dessen „Lockerungsübungen“ im Corona-Krisenmanagement seien „in der Bevölkerung und in der Union nicht gut angekommen“, sagte er der dpa. „Ob er mit einem harten Schulmanagement und mit neuen strengen Schutzauflagen punkten können wird, ist offen.“
Schließlich müsse sich Laschet derzeit im „Triathlon“ um die Beliebtheit in der Bevölkerung, den Parteivorsitz der CDU und die Kanzlerkandidatur für die Union bewähren. Nachdem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder *(CSU) den NRW-Regierungschef in Sachen Popularität und Kanzlertauglichkeit in den Umfragen schon weit hinter sich gelassen habe, sei es „fast ausgeschlossen“, diesen Vorsprung noch einzuholen, bilanzierte von Alemann.
Schulbeginn in NRW: Laschet im „corona-politischen Blindflug“?
Ein Fiasko im Corona-Krisenmanagement an den Schulen, das in NRW Millionen Eltern, Lehrer und Schüler unmittelbar betrifft, wäre keine Empfehlung für höhere Weihen. Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, sieht Laschet bereits „im corona-politischen Blindflug“. Bislang sei die schwarz-gelbe Landesregierung vor allem durch ihr „Hin und Her“ aufgefallen, sagte der SPD-Fraktionschef der dpa.
„Nachdem Armin Laschet mit seinem Lockerungskurs erkennbar vor die Wand gefahren ist, gibt er jetzt zum Schulstart ganz plötzlich den Hardliner“, urteilte der frühere NRW-Justizminister. „In den USA nennt man das einen Flip-Flopper.“ Nachdem es die Landesregierung versäumt habe, frühzeitig auf eine konsequente Teststrategie zu setzen, sei die Maskenpflicht an den Schulen nun „leider notwendig“.
Weiter vorsichtig und achtsam sein - #NRWkanndas. Die #Coronaschutzverordnung wurde heute bis zum 31. August verlängert. Wichtig: Die Maskenpflicht bleibt bestehen. In Bussen und Bahnen droht ein Bußgeld von 150 Euro für Personen, die sich der Maskenpflicht widersetzen. #corona pic.twitter.com/Z7A20Rp7Rv
— Staatskanzlei NRW (@landnrw) August 11, 2020
Schule trotz Corona in NRW: Maskenpflicht „empfehlenswert“ - oder „überflüssige Behinderung“?
Unter Lehrer-, Eltern-, Ärzteverbänden und Wissenschaftlern ist das bundesweit umstritten. Während der Marburger Bund die Maskenpflicht im Unterricht als sinnlose, „überflüssige Behinderung“ sieht, stuft eine Gruppe renommierter Wissenschaftler sie in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als empfehlenswert ein.
Umstritten ist auch, ob nach Corona-Infektionen ganze Schulen geschlossen werden sollen. „Wenn ein Corona-Fall in einer Schule auftaucht, muss nicht direkt die Schule für 14 Tage geschlossen werden“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der Rheinischen Post. Es reiche, wenn einzelne Klassen oder Kurse zu Hause blieben.
Laschet will Schulbetrieb trotz Corona: Generalprobe für Berlin?
Zumindest hat sich in NRW keine Partei und kein namhafter Verband dafür ausgesprochen, sicherheitshalber beim Lernen auf Distanz zu bleiben und wieder auf Home Schooling zu setzen. Dass dabei in den Wochen vor den Ferien nicht alle Schüler mitgenommen werden konnten, sondern Bildungsnachteile entstanden seien, sei unzweifelhaft, räumt Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ein. Auch die Landesschülervertretung hat davor gewarnt.
NRW startet als sechstes Bundesland nach Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin ins neue Schuljahr. Laschets komplette politische Existenz stehe mit dem Ausgang des Experiments Schulvollbetrieb im Corona-Jahr nicht auf dem Spiel, betonte von Alemann. „Wenn Söder sein bayrisches Amt als das schönste der Welt hinstellt, warum macht es dann Laschet nicht ebenso?“ In NRW sei er „bisher jedenfalls nicht herausgefordert“. (dpa/AFP/frs) *Merkur.de gehört zum Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerk.
Rubriklistenbild: © Guido Kirchner/dpa
August 12, 2020 at 07:40PM
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Corona in NRW: Schüler tragen jetzt landesweit Maske - Laschet steht im Kreuzfeuer - Merkur.de
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